Dr. med. vet. Richard Gerdemann
Dr. med. vet. Richard Gerdemann
Tierarzt

Fütterungsempfehlungen bei geriatrischen Pferden

Grundsätzliche Hinweise:

Bei der Rationskalkulation sollten jeweils allgemeine diätetische Grundsätze beachtet werden. Eine professionelle Rationskalkulation kann dafür sehr hilfreich sein. Hohe Fütterungsfrequenzen sind vorteilhaft.

Fütterungsempfehlungen bei gesunden alten Pferden:

Das gesunde alte Pferd sollte möglichst viel Energie aus dem Grundfutter Heu gewinnen können. Um diesen Anspruch zu gewährleisten sollte dieses von mittlerer bis guter Qualität sein und in einer Menge von 2 kg/100 kg KM aufgenommen werden.

Kraftfutter kann über 3-4 Mahlzeiten verteilt in einer Menge von ca. 0,3 kg/100 kg KM pro Mahlzeit angeboten werden. Geeignete Getreidearten sind Mais, Gerste und Hafer, die allerdings thermisch aufgeschlossen sein sollten (Poppen).

Ergänzt werden können pflanzliche Öle (ca. 20-50 ml/100 KG KM pro Tag nach Adaptation). Zur Proteinversorgung sind Mischfuttermittel mit erhöhten Eiweißgehalten (ca. 12%) sowie Sojaextraktionsschrot (10-20 g/100 kg KM) einsetzbar. Eine Erhöhung des Rohfasergehaltes der Ration kann mit pektinhaltigen Futtermitteln wie etwa Rübenschnitzeln (0,2 kg/100 kg KM) erreicht werden.

Übertriebene Mineralisierung mit Kalzium (Ca) und Phosphor (P) sowie Vitaminierung mit Vitamin A und Vitamin D sollte vermieden werden.

Gerade beim geriatrischen Pferd muss auf eine ausreichende Wasseraufnahme geachtet werden. Gegebenenfalls ist das Wasser im Winter anzuwärmen.

Fütterungsempfehlungen bei Zahnproblemen:

Ältere Pferde mit Zahnproblemen müssen in Ruhe fressen können. Gruppenhaltung kann diesbezüglich problematisch sein. Eine Abtrennung beim Fressen ist deshalb sinnvoll. Einweichen des Futters und eine hohe Fütterungsfrequenz sind ebenfalls hilfreiche Maßnahmen. Regelmäßige Spülungen der Maulhöhle entfernen festgesetzte Futterreste. Die Wasseraufnahme kann insbesondere im Winter durch Anwärmen des Wassers verbessert werden. Viele Pferde bevorzugen Eimertränken.

Hinsichtlich der Rationsgestaltung kann bei Kauproblemen infolge Zahnerkrankungen ein Teil des weiterhin anzubietenden Heus durch Weidegang, Grünmehl oder Luzerne (1-2 kg/100 kg KM), Rübenschnitzel (0,5 kg/100 kg KM) und Maiscobs (1 kg/100 kg KM) ersetzt werden. Thermisch aufgeschlossene Futtermittel sind grundsätzlich zu bevorzugen. Pflanzenöle (ca. 80 ml/100 kg KM) sind gut geeignet zur verbesserten Energieversorgung. Sojaextraktionsschrot oder Bierhefe (10-20 g/100 kg KM) können als zusätzliche Proteinquelle dienen.

Fütterungsempfehlungen bei Nierenerkrankungen:

Pferde mit chronischer Niereninsuffizienz leiden an Azotämie/Urämie. Äußerlich können chronische Nierenpatienten durch Inappetenz, Apathie, Lethargie, Gewichtsverluste, vermehrte Wasseraufnahme und erhöhter Urinabsatz auffallen. In vielen Fällen kommt es zur Bildung von Ödemen und Magenulzera mit Koliksymptomen. Häufig treten vermehrte Proteinverluste über Harn und Kot auf. Die Elektrolyte Kalzium (Ca) und Kalium (K) sind im Blut erhöht, Phosphor (P), Natrium (Na) und Chlorid (Cl) erniedrigt. Bei einigen Pferden liegt eine metabolische Azidose vor.

Es sind Futtermittel mit hoher Proteinqualität auszuwählen, beispielsweise Mais, Hafer, Heu, Gras, Lein- oder Sojaextraktionsschrot sowie Bierhefe und Kasein. Eine Ergänzung einzelner Aminosäuren ist über den Einsatz von Equitop Myoplast® möglich. Futtermittel mit hohem Kalziumgehalt wie Luzerne, Trockenschnitzel, Mischfuttermittel sowie kalziumhaltige Mineralfuttermittel sollten vermieden werden.

Fütterungsempfehlungen bei Equinem Cushing-Syndrom (ECS, PPID) mit Abmagerung:

Neben der Deckung des Grundfutterbedarfs über Heu (1-1,5 kg/100 kg KM) sollte grundsätzlich möglichst viel Stärke gegen Fett ausgetauscht werden. Kommerziell stärke- und zuckerreduzierte Mischfutter (PSSM- oder EMS-Mischfutter) können hier ebenso zum Einsatz kommen, wie Pflanzenöle (z. B. Sonnenblumenöl, ca. 80 ml/100 kg KM nach Adaptation), Reiskleie (100 – 500g/ 100 kg KM, schlechte Akzeptanz) und Omega-3-Fettsäuren (20-50 ml Leinöl/100 kg KM, insbesondere wichtig bei akutem Reheschub). Die Verfütterung von Kraftfuttermitteln wie Hafer, Müsli, etc. sowie Gras hat zu unterbleiben. Auch bei der Gabe von Möhren sollte auf größere Mengen verzichtet werden.

Zur Verbesserung der Proteinversorgung und Kompensation erhöhten Muskelabbaus eignen sich Soja- oder Leinextraktionsschrot sowie Bierhefe (50 g/100 kg KM). Hierbei können auch Aminosäuren gezielt eingesetzt werden (z.B. Equitop Myoplast®).

Während eines akuten Reheschubes sollte eine erhöhte Zink- (z.B. Orthosal Zink von Navalis) und Vitamin E- (z.B. Excell E® von Equistro) Zufuhr erfolgen. Selen muss ganzjährig substituiert werden.

Fütterungsempfehlungen bei Equinem Metabolischem Syndrom (EMS):

Das Equine Metabolische Syndrom wird bestimmt von regionalem (Mähnenkamm, Schulterbereich, Schweifansatz, Präputium) oder generalisiertem Übergewicht (Adipositas) und Insulinresistenz (Hyperinsulinämie).

Bei der Rationsgestaltung sollte deshalb die Energiezufuhr knapp gehalten werden. Empfehlenswert ist eine tägliche Heumenge von 1 bis 1,2 kg/100 kg KM Idealgewicht. Allerdings dürfen die Pferde keine weiteren Möglichkeiten zur Futteraufnahme wie z.B. Stroheinstreu zur Verfügung haben!

Es empfiehlt sich, das Körpergewicht wöchentlich zu kontrollieren (in der Praxis sehr schwierig) und die Heumenge wöchentlich an das neue Gewicht anzupassen. Körpergewichtsverluste zwischen 1 und 2 % KM pro Woche sind anzustreben und verbessern nachhaltig die Insulinresistenz. Nimmt das Pferd nicht ab, so muss ggf. die tägliche Heumenge auf 0,9 kg/100 kg KM reduziert werden. Entgegen den genannten Empfehlungen sollte man Pferde mit akutem Reheschub jedoch nicht hungern lassen.

Da die zu veranschlagende Heumenge relativ gering ist, empfiehlt sich eine Fütterung aus dem Heunetz oder einem sogenannten Heuball, so dass die Futteraufnahmezeit gestreckt wird. Falls ein Heu aus dem Grassamenbau zur Verfügung stehen sollte, ist diese Heuqualität zu bevorzugen, da der Energiegehalt in dieser sehr gering ist, aber kaum Gefahr von Verstopfungskoliken wie bei Stroh besteht.

Die Wässerung des Heus führt entgegen landläufiger Meinung nicht zu einer Reduktion der Kohlenhydratgehalte im Heu. Um dieses Ziel zu erreichen, wäre eine Erhitzung auf bis zu 80 °C im Wasserbad über mehrere Stunden notwendig. Im Übrigen ist eine längere Wässerung aus hygienisch-mikrobiellen Gründen eher als problematisch einzustufen.

Die Verfütterung von Kraftfutter (Hafer, Müsli, etc.) und Gras hat zu unterbleiben. Auch von speziellen EMS-Mischfuttermitteln ist abzuraten, da diese in der Regel hohe Fettgehalte aufweisen. Vorsicht ist ferner bei der Gabe von Möhren geboten, da diese sehr energiereich sind.

Der Einsatz eines vitaminierten Mineralfutters zur „Heu basierten Ration“ ist hingegen erforderlich (insbes. Kupfer, Zink, Selen). Der Einsatz von Chrom (20 μg/kg KM/Tag, entspr. 3-5 g Chromhefe) hat sich für die Besserung der Insulinresistenz als vorteilhaft erwiesen.

Ferner sollte die Proteinzufuhr durch den Einsatz von Grünmehl, Luzerne, Sojaextraktionsschrot oder Bierhefe (ca. 25-50 g/100 kg KM) optimiert werden. Wie beim ECS können hierbei auch Aminosäuren gezielt eingesetzt werden (z.B. Equitop Myoplast®).

Liegt keine aktueller Rehesymptomatik vor, erscheint regelmäßige Bewegung des Pferdes (z.B. täglich 30 min. Schritt, 30 min. flotter Trab) sehr hilfreich.

Ganztägiger Auslauf auf einem Sandpaddock sollte ermöglicht werden, dort kann z.B. auf befsetigtem Untergrund auch die Heufütterung mit dem Heunetz erfolgen.

(Inhalt in Anlehnung an PD Dr. Ingrid Vervuert und Prof. Dr. Ellen Kienzle)