Dr. med. vet. Richard Gerdemann
Dr. med. vet. Richard Gerdemann
Tierarzt

Impfprophylaxe bei Pferden

Vorbemerkung: Die Grundlagen unserer Impfempfehlungen sowie Hinweise zu Impfmöglichkeiten bei weiteren Erkrankungen finden Sie in der Leitlinie zur Impfung von Pferden der Ständigen Impfkommission Vet am Friedrich-Löffler-Institut.

Turnierpferde reisen viel, sind einer Vielzahl von Stresssituationen ausgesetzt und kommen häufig mit Pferden aus anderen Beständen, Ländern und Kontinenten zusammen. Dabei tauschen sie untereinander die unterschiedlichsten Krankheitserreger aus. Da viele Turnierpferde stressbedingt in ihrer immunologischen Abwehr geschwächt sind, treten gehäuft Infektionskrankheiten auf, die über das betroffene Turnierpferd hinaus weitere Pferde seiner Umgebung, vor allem auch die seines Herkunftsbestandes, gefährden können. Hier stehen die Virusinfektionen der Atemwege an vorderster Stelle. Sie zählen zu den infektiösen Faktorenerkrankungen. Neben den genannten Stressfaktoren spielen auch äußere Faktoren, die in erster Linie aus den Folgen von mangelnder Hygiene sowie nicht artgerechter Haltung, Nutzung und Fütterung bestehen, eine ursächliche Rolle beim Zustandekommen der Infektionen. Die wichtigsten Viren hierbei sind die Influenza- sowie Herpesviren des Pferdes. Gegen beide Virusgruppen existieren Impfstoffe, mit denen wirkungsvoll Immunpräventive betrieben werden kann.

Influenza

Die klassischen Erreger von Hustenerkrankungen endemischen bis pandemischen Ausmaßes sind derzeit die Pferdeinfluenzaviren der Serotypen Influenza A/equi-2/Ohio O3 (H3 N8) und Influenza A/equi-2/Newmarket/2/93 (H3 N8). Unter dieser Bezeichnung verbergen sich unterschiedliche Viren mit unterschiedlicher Flexibilität hinsichtlich der für die Impfstoffe so wichtigen antigenen Struktur, die sich relativ schnell verändern kann. Infektionen mit Influenza A/equi-1-Viren sind seit Jahren in Europa nicht mehr nachgewiesen worden. Es ist deshalb wichtig, Impfstoffe mit aktuellen Influenza A/equi-2-Repräsentanten zu verwenden.?Diese Anforderung wird bei uns durch die Verwendung des Influenzaimpfstoffes „ProteqFlu“ erfüllt. Eine belastbare Immunität gegenüber Influenzainfektionen ist nur durch einen permanenten Impfzyklus zu erzielen. Dieser beginnt mit der Durchführung der Grundimmunisierung im fünften Lebensmonat des Fohlens bzw. bei Fohlen von geimpften Stuten im achten Lebensmonat. Die Grundimmunisierung besteht aus zwei Impfungen im Abstand von sechs bis acht Wochen und muss gefolgt sein von einer dritten lmpfung ein halbes Jahr nach der zweiten Impfung. Dann erst sprechen wir von einer abgeschlossenen Grundimmunisierung. ?Wichtig ist, die Fohlen nicht zu früh zu impfen, da zum einen mütterliche Antikörper aus dem Kolostrum von geimpften Stuten oder von Influenza-infizierten Stuten über den sechsten Monat hinaus im Fohlen persistieren und den Impferfolg gefährden können. Zum anderen reagieren Fohlen jenseits des 6. Lebensmonats auf Impfungen mit inaktivierten Antigenen mit einer besseren Antikörperbildung als jüngere Fohlen. Die dritte Impfung als Teil der Grundimmunisierung ist auch deshalb erforderlich, da die Influenza A/equi-2-Serotypen von einer geringen Immunogenität sind und diese dritte Impfung zur Steigerung der Antikörperbildung erforderlich ist. Dringend sind Wiederholungsimpfungen im Abstand von sechs Monaten zu empfehlen.

Nur so kann ein sicherer Schutz der Pferdepopulation erreicht werden. Desgleichen ist es unerlässlich, alle Pferde eines Bestandes zu impfen, nicht nur z. B. das einzelne Turnierpferd, da erst der Populationsschutz einen Schutz vor seuchenhafter Ausbreitung der Pferdeinfluenza gewährleistet. Etwa 80 % der Pferde müssen hierfür immunologisch geschützt sein.

    Die FN schreibt für Turnierpferde folgende Impfintervalle vor:

 

Grundimmunisierung durch zwei Impfungen im Abstand von 42 bis 70 Tagen sowie eine weitere nach 6 Monaten +/- 21 Tagen. Wiederholungsimpfungen haben im Abstand von 6 Monaten (+/- 21 Tagen) zu erfolgen. Zwischen dem nationalen Turnierstart und einer Impfung müssen bei einer Grundimmunisierung 14 Tage vergangen sein, d.h. das Pferd darf erst am 15. Tag danach starten. Bei Wiederholungsimpfungen müssen auf nationalen Turnieren zwischen Impfung und Start sieben Tage liegen, d.h. das Pferd darf am achten Tag nach der Impfung starten.

    Die FEI schreibt für Turnierpferde folgende Impfintervalle vor:

 

Grundimmunisierung durch zwei Impfungen im Abstand von 21 bis 92 Tagen sowie eine weitere innerhalb maximal 7 Monaten. Wiederholungsimpfungen haben im Abstand von maximal 6 Monaten + 21 Tagen zu erfolgen. Zwischen der Ankunft beim FEI-Event und einer Impfung, Grundimmunisierung wie Wiederholungsimpfung, müssen 7 Tage vergangen sein, d.h. das Pferd darf erst am 8. Tag nach Vakzination eintreffen. Sollte die letzte Impfung länger als 6 Monate +21 Tage zurückliegen verliert das Pferd seine Startbereitschaft. Eine erneute Grundimmunisierung ist allerdings  erst erforderlich, wenn die letzte Impfung länger als ein Jahr zurückliegt.

Herpesvirusinfektionen

Neben den Influenzaviren spielen die Herpesviren des Pferdes eine besondere Rolle. Die meisten Herpesviren bleiben nach der ersten Infektion latent im infizierten Tier erhalten. Das Pferd, das einmal infiziert ist, bleibt dies über längere Zeiträume, vielleicht sogar ein Leben lang. Unter Stress werden diese Viren ausgeschieden und können dabei sowohl das betroffene Tier als auch weitere Pferde, die vom Virus ausscheidenden Pferd angesteckt werden, erkranken lassen. Zur sinnvollen Präventive von Atemwegsinfektionen gehört neben der Impfung mit Influenzaimpfstoffen auch die Impfung mit Equinen Herpesviren der Typen EHV 1 und EHV 4. Aus diesem Grunde wurden Kombinationsimpfstoffe entwickelt, in denen neben den Influenzaviren auch diese Herpesviren enthalten sind (Resequin®, Cavallon®). Darüber hinaus gibt es Einzelimpfstoffe (mono- und bivalent), in denen nur die Pferdeherpesviren EHV 1 und/oder EHV 4 in inaktivierter Form vorliegen (Equip EHV ¼®). Beide Impfstoffarten können für die Anwendung in der Praxis empfohlen werden. Mit derartigen Impfstoffen sollten Fohlen ungeimpfter Mütter ebenfalls erstmals im 5. Lebensmonat grundimmunisiert werden, wobei die 2. Impfung im Abstand von 6 - 8 Wochen nach der ersten Impfung durchgeführt wird. 6 Monate nach der 2. Impfung erfolgt die 3. Impfung zum Abschluss der Grundimmunisierung. Wiederholungsimpfungen werden in 6-monatigem Intervall durchgeführt. Somit besteht der gleiche Impfrhythmus wie bei Einsatz von Influenzaimpfstoffen. Auch für die Anwendung von Kombinationsimpfstoffen, die Influenza- und Herpesviren enthalten, gilt dieses Impfschema. Wie bei der Impfung gegen die Influenza sind auch hier alle Pferde eines Bestandes unter permanentem Impfschutz zu halten. Erst dadurch ist ein Schutz vor klinisch manifester Neuinfektion sowie den klinischen Folgen der Reaktivierung der latenten Infektion zu erwarten. Ein weiterer Grund für die Impfung aller Pferde eines Bestandes ist die Tatsache, dass geimpfte Pferde innerhalb der angesprochenen Reaktivierung latenter Herpesvirusinfektionen deutlich weniger Virus in ihre Umgebung ausscheiden, als nicht geimpfte Pferde. Erst über den angestrebten Populationsschutz mit der Folge der Verminderung der Virusmengen im Bestand ist eine Unterbrechung der Infektionskette zu erwarten.?Beide Vertreter der Pferdeherpesviren (EHV 1- und EHV 4) sind in der Lage, einen Abort bei der tragenden Stute auszulösen. Dieser Abort ist als eine individuelle Komplikation der EHV-Infektion anzusehen. Eine Bekämpfung des Virusabortes durch Schutzimpfung ist ebenfalls möglich. Auch hier gilt, dass alle Equiden des jeweiligen Bestandes, nicht nur dessen Zuchtstuten zu impfen sind. Für diese Impfung eignen sich sowohl die besprochenen Impfstoffe auf der Basis von inaktivierten Pferdeherpesviren als auch der einzige noch vorhandene Lebendimpfstoff (Prevaccinol®), in dem allerdings nur das Herpesvirus des Typ 1 (EHV 1) in biologisch gewandelter und vermehrungsfähiger Form vorliegt. Es gelten für den Einsatz sowohl der Impfstoffe auf der Basis der inaktivierten Viren als auch auf der Basis des biologisch gewandelten Virus prinzipiell die besprochenen Termine für die Impfung von Fohlen.?Den Empfehlungen des Herstellers des Lebendimpfstoffes folgend, können Fohlen mit dieser Vakzine schon ab dem 3. Lebensmonat geimpft werden. Sie sollen dann im Abstand von 8 Wochen 2 Impfungen zur Grundimmunisierung erhalten. Bei ihnen, ebenso wie bei nichttragenden Pferden, erfolgen die Wiederholungsimpfungen in 9-monatigem Intervall. Die Zuchtstute wird, beginnend mit ihrer ersten Trächtigkeit, jeweils im 4. und 8. Monat jeder Trächtigkeit geimpft. Auch durch Einsatz der Herpesvirusimpfstoffe auf Basis inaktivierter Viren mit den dort genannten Impfintervallen oder dem Kombinationsimpfstoff (Herpes + Influenza) ist die Präventive des Virusaborts möglich. Von Durchführung und Impfkalender her ist dies einfacher als bei Einsatz eines separaten Lebendimpfstoffes. Der Immunschutz entspricht sich. Speziell bei der Bekämpfung des Virusaborts durch Immunpräventive kommt begleitenden Maßnahmen zur Verringerung der Erregermengen im Bestand und damit in erster Linie hygienischen Maßnahmen vorrangige Bedeutung zu.

 

Wundstarrkrampf (Tetanus)

Der Erreger des Wundstarrkrampfes (Clostridium tetani) lebt immer in der Umgebung des Pferdes und ist in infektionstüchtigem Zustand ständig präsent. Jedes Pferd sollte aufgrund der permanenten Infektionsgefahr gegen Tetanus schutzgeimpft sein. Die Schutzimpfung gegen Wundstarrkrampf ist eine der wirkungsvollsten Impfungen in der Pferdemedizin und die einzige vorbeugende Maßnahme, um das Pferd vor dem häufig tödlich verlaufenden Wundstarrkrampf zu schützen. Es stehen Tetanustoxoid-Impfstoffe als Monoimpfstoffe sowie in Kombination mit Influenzaimpfstoff zur Verfügung. Das Fohlen aus einer ordnungsgemäß gegen Tetanus geimpften Mutterstute erhält über deren Kolostrum Antikörper, die etwa bis zum 6. Lebensmonat persistieren und einen Immunschutz verleihen. Werden Fohlen im Alter des 6. Lebensmonates grundimmunisiert, reagieren sie mit einer Immunantwort, die Schutz über die Dauer eines weiteren Jahres verleiht. Für die Praxis leitet sich daraus die Empfehlung ab, dafür zu sorgen, dass Zuchtstuten über entsprechende Tetanuskolostralantikörper verfügen, d.h., dass sie ordnungsgemäß geimpft werden und dass mit dem Beginn der aktiven Immunisierung von Fohlen aus diesen Stuten etwa bis zu deren 6. Lebensmonat zu warten ist. Das Intervall zwischen den beiden Impfungen der Grundimmunisierung bei Fohlen sollte dann etwa 10 Wochen betragen. Die erste Wiederholungsimpfung erfolgt ein Jahr nach dieser Grundimmunisierung, weitere Schutzimpfungen erfolgen in 2-jährigem Intervall.

Tollwut

Die Tollwuterkrankung beim Pferd ist ein individuelles Ereignis, da nur das vom infizierten Fleischfresser (Fuchs, Hund) gebissene Pferd erkrankt, die Infektion per Kontakt jedoch nicht auf weitere Pferde überträgt. Pferde in Weidehaltung mit Tollwutexposition, speziell bei Offenhaltung, sollten gegen Tollwut schutzgeimpft werden. Ein Populationsschutz ist aufgrund des genannten Übertragungsweges im Vergleich z. B. zu den Infektionen der Atemwege nicht erforderlich. Für die Impfung dürfen nur Impfstoffe auf der Basis von inaktiviertem Virus eingesetzt werden. Fohlen können ab dem abgeschlossenen 4. Lebensmonat zu jedem Zeitpunkt in ein Immunisierungsprogramm einbezogen werden. Zur Erzielung eines belastbaren Impfschutzes für die Dauer eines Jahres - auch beim Erstimpfling - genügt eine einzige Impfung pro Jahr. Nach diesem Schema geimpfte Mutterstuten geben über ihr Kolostrum genügend Antikörper ab, um damit die Fohlen bis zu deren Impfalter zu schützen. Es empfiehlt sich, Pferde drei bis vier Wochen vor der Weidesaison impfen zu lassen, damit sie schon geschützt auf die Weide kommen.